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Die Folterbriefe der Freiheitskämpfer – Teil 4: Brief von Hermann Kofler

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Die Süd-Tiroler Freiheit möchte anlässlich der sich heuer zum 55 Male gejährten Feuernacht mit der Veröffentlichung von ausgewählten Folterbriefen der Freiheitskämpfer deren Einsatz und Pflichtbewusstsein für die Heimat in Erinnerung bewahren. Diese Serie wird den Titel „Feuernacht – Folternächte“ tragen. Gleichzeitig soll mit deren Veröffentlichung auch ein Zeichen gegen jeweilige Unterdrückung und Aggression gegenüber heimatreuen und freiheitsliebenden Menschen und Völkern gesetzt werden.

Die ausgewählten Folterbriefe stammen aus der zweiten ergänzten Auflage des Buches „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“. Sie wurden vom Autor des Buches, Helmuth Golowitsch und vom Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Roland Lang, zur Verfügung gestellt. Das Buch knüpft an den 1964 in erster, 1977 in zweiter Auflage erschienen Tatsachenbericht „Die Schändung der Menschenwürde in Südtirol“ an und bietet durch die Zusammenführung von neuen Erkenntnissen ein umfassendes und objektives Bild der 50er und 60er Jahre in Südtirol vor dem Hintergrund des Freiheitskampfes.

Die Folterbriefe der ehemaligen inhaftierten Südtiroler Freiheitskämpfer werden in den kommenden vier Wochen, jeweils am Dienstag und Donnerstag, auf der Homepage der Süd-Tiroler Freiheit publiziert. Sepp Mitterhofer, der ehemalige Obmann des Südtiroler Heimatbundes, sagte einst: „Wenn man diese Briefe liest, so gewinnt man den Eindruck, man blättere in einem Drehbuch eines Horrorfilms. Das wäre weiter nicht schlimm. In diesem Fall ist es allerdings tragisch, weil es kein Roman ist, sondern nackte Wirklichkeit und es uns Südtiroler betrifft.“ Diese Aussage trifft den Nagel auf den Kopf und lässt bereits erahnen, welches Grauen die Männer und deren Angehörigen erleiden mussten.

Der heutige Folterbrief wurde vom erst kürzlich verstorbenen Hermann Kofler aus Söll bei Tramin verfasst. Der verhaftete und aus mangel an Beweisen wieder frei gelassene Hermann Kofler gab diese Aussage am 27. Juli 1961 in einem Bericht für die Südtiroler Volkspartei zu Protokoll. In jener nachstehenden Nennung schildert er sein erlittenes Martyrium.

„Ich, unterfertigter Hermann Kofler, gebe zur Untersuchungshaft beziehungsweise zu den Verhören in der Carabinierikaserne in Eppan folgende Erklärung ab. Am 19. Juli wurde ich gegen Mitternacht von zu Hause abgeholt und nach Eppan gebracht. Oberleutnant Vilardo nahm mich als erster mit den Worten in Empfang:‘Adesse viene uno proprio con me‘ (Jetzt kommt der richtige für mich). Nach ein paar richtigen Ohrfeigen mit der flachen Hand stieß er mich noch mit dem Kopf an die Wand und sagte: „Wieviel Geld hast du erhalten?“ Auf meine verneinenden Antworten bekam ich ungefähr eine Viertelstunde lang Ohrfeigen. Nun wurde ich in den zweiten Stock geführt, wo ich die Beine zusammenhalten mußte, die Hände hochstrecken, worauf mir ein Brigadier den Rückkragen in die Höhe stülpte und verschloß. Nachdem Papier in die Schreibmaschine eingespannt worden war, sagte der Verhörende, Dr. Widmoser sei in Meran bereits sichergestellt, er habe einbekannt, es sei darum bereits alles bekannt und ich möge darum gestehen. Auf meine verneinenden Antworten bekam ich jedesmal Ohrfeigen. Diese Art und Weise von Verhör ging ungefähr zwei bis drei Stunden ohne Unterbrechnung weiter.
Nachdem man mir vorher den Gebrauch der deutschen Sprache verboten hatte, wurde ich meinem Freund Luis Gutmann, ebenfalls aus Tramin, gegenübergestellt. Nun frage man mich, ob ich in Weißenstein gewesen sei. Ich bejahre die Frage. Ob ich mit Gutmann Luis, Kofler Oswald und Steinegger Luis dort gewesen sei, war nun die nächste Frage. Ich erwiderte „nein“ – mit meiner Frau, und zwar im vorigen Jahr. Nun bekam ich wieder Ohrfeigen mit der Bemerkung: „Ti faccio venir il sangue da una parte rosso, in mezzo bianco e dall‘altra verde“ (Ich mach’ dir das Blut von einer Seite rot, von der Mitte weiß und von der anderen Seite grün kommen). (Anm.: Das sind die Farben der italienischen Tricolore)
Gutmann Luis sagte zuerst auf deutsch, und dann auf italienisch, ich möge alles sagen, was ich weiß, denn sie wüßten bereits alles. Ferner sagte er, er habe dem Hauptmann schon gesagt, daß ich unschuldig sei. Nun wurde ich wieder in eine Wachstube gebracht, am Donnerstag wieder verhört, am Freitag wurde ich dann nochmals unter Anwendung der gleichen Mißhandlungen ungefähr eineinhalb Stunden verhört. Am gleichen Tag wurde ich gefesselt mit anderen Häftlingen nach Bozen gebracht. Während die übrigen in das Gefängnis in die Dantestraße eingeliefert wurde, brachte man mich und Zwerger Albin nach Gries, wo wir durch den Staatsanwalt Dr. Castellano verhört wurden. Ich bestätigte dabei die bereits gemachten Angaben des ersten Protokolls und wurde dann in das Gerichtsgefängnis eingeliefert.
Durch das Zusammentreffen mit den anderen Inhaftierten in Eppan, in Gries und Bozen konnte ich ganz besonders durch Zwerger Albin, mit dem ich mehr zusammen war, aber auch von Gutmann Luis und Steinegger Luis, folgende Einzelheiten der erlittenen Behandlung erfahren:
Zwerger Albin wurde nackt mit dem Rücken zur Tischfläche auf einen Tisch gelegt. Hände und Beine wurden an die Tischfüße festgebunden. Nun wurde er mit Fäusten geschlagen, die Haare an den Geschlechtsteilen wurden im einzeln ausgerissen, mit brennenden Zigaretten wurde er an verschiedenen Teilen des Körpers verbrannt. Die Mißhandlung ging einige Stunden weiter, und als er bereits nahe am Bewußtlossein war, wurde ihm noch irgendeine scharfe Säure vor die Nase gehalten. Inzwischen wurde ihm Thaler Viktor vorgeführt, der sagte, er möge eingestehen, es sei ohnehin schon alles bekannt. Nachdem Zwerger weiterhin leugnete, wurde er mit kurzen Unterbrechungen weitergefoltet, bis er endlich nicht mehr die Widerstandskraft besaß, weiter durchzuhalten und eingestand.
Steinegger Alois beklagte sich besonders über die in die Nieren erhaltenen Schläge und berichtete, daß man ihn dreimal gänzlich bewußtlos fortgetragen hatte.
Kerschbaumer Josef hingegen sagte, daß er auf die gleiche Weise ohne Unterbrechung 18 bis 19 Stunden mißhandelt worden sei, bis er ein Geständnis ablegte.
Alle Inhaftierten machten sich gegenseitig keinen Vorwurf wegen der gemachten namentlichen Aussagen, weil sie ja alle samt und sonders dieselben Mißhandlungen über sich ergehen lassen mußten, bevor sie ein Geständnis ablegten.
gez.Hermann Kofler“

Weitere Folterbriefe und detailliertere Hintergrundinformationen sowie Zusammenhänge finden Sie im Buch „Für die Heimat kein Opfer zu schwer“. Dieses kann auch online im Werbekatalog der Süd-Tiroler Freiheit erworben werden.

Die bisher veröffentlichten Folterbriefe finden sie hier.

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