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Besuch im Estnischen Historischen Museum – und bei Lenin und Stalin im Hinterhof

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Eigentlich war es eine ganz gewöhnliche Urlaubsreise: ein paar Tage Helsinki und ein paar Tage Tallinn. Freilich stehen auf einer solchen Reise auch Museumsbesuche auf dem Programm. Aber der Besuch im Estnischen Historischen Museum in Tallinn, dem alten Reval, war doch recht beeindruckend.

Der Schwerpunkt des Museums liegt auf der Geschichte der Unabhängigkeitsbestrebungen der jetzigen Republik Estland. Zum ersten Mal war Estland zwischen 1918 und 1940 unabhängig. Zum zweiten Mal erlangte Estland die Unabhängigkeit im Jahr 1991. Obwohl die Geschichte Estlands (wie auch jene Lettlands und Litauens) freilich grundsätzlich verschieden ist als jene Südtirols, so gibt es doch eine wichtige Parallele: der Wille eines Volkes, frei zu sein.

Wie es die Republik Estland mit den Monumenten aus der sowjetischen Besatzungszeit hält, ist im Hinterhof des Museums zu erfahren: Lenin und Stalin stehen bzw. liegen dort einfach so lieblos herum. Bei diesem wahrhaft kläglichen Anblick überkamen mich unweigerlich ein Gefühl der Genugtuung und einmal mehr der Wunsch, dass den faschistischen Monumenten in Südtirol, vorzugsweise dem Kapuziner-Wastl, bald ein ähnliches Schicksal widerfahren möge. Doch der Faschismus in Südtirol ist halt immer noch lebendig – hoffentlich nicht mehr lange.

Cristian Kollmann

Und hier einige Eindrücke in Bildern…


Deutsche Übersetzung des Textes am Beginn der Ausstellung:

Wenn die Umstände passen, kann der Freiheitswille eines Volkes Berge versetzen und die Weltkarte verändern. Aus den Ruinen des Russischen Reiches, das in Folge des Ersten Weltkrieges zerbrochen war, wurde eine Reihe von neuen Ländern, einschließlich Estlands am 24. Februar 1918, geboren. Seine Geburt verdankt es der geistigen Kraft, dem Kampf und dem Widerstand, zum Preis von großen Entbehrungen und Verlusten. Der estnische Staat ist nicht etwas, was seine Bürger für selbstverständlich hinnehmen sollen.

Diese Ausstellung ist die Geschichte über die Schaffung und Beharrsamkeit eines Staates. Aber sie ist gleichzeitig die Geschichte über jene Menschen, die hier leben. Die Vergangenheit lebt fort in jedem von uns – Bruchstücke eines Zeitalters, dessen Wahrnehmung kompliziert erscheint; Teile, die Ideen und Ideale aus früheren Zeiten widerspiegeln, die es uns erlauben, einst große Pläne und schwierige Entscheidungen, mit denen wir uns heute identifizieren oder denen wir uns widersetzen können, zu verstehen.

In anderen Worten: Es ist die Geschichte über die Freiheit des estnischen Staates und des estnischen Volkes, über die Freiheit nach innen und nach außen, über die geistige und materielle Freiheit. Denn die Freiheit ist die Basis für die Stärke und Lebendigkeit sowohl des Staates als auch seines Volkes.

Estnisches Historisches Museum
 

Deutsche Übersetzung des Textes am Ende der Ausstellung:

Sie sind nun durch 90 Jahre Geschichte gewandert – ein ehrwürdiges Alter für einen Menschen, aber ein jugendliches Alter für ein Land. Es mag zwar außergewöhnlich erscheinen, aber es gibt vielleicht Menschen, die sich noch an den Beginn erinnern können.

Nach Zeiten der Sorgen und Leiden, der Arbeit und Liebe, sind wir in der Gegenwart angekommen: ein freier estnischer Staat. Wie konnte das geschehen? Ja, vielleicht hatten wir Glück. Wir hatten Glück im Jahr 1918 und Glück im Jahr 1991. Aber nichts entsteht einfach so. Fragen wir uns doch selbst, wie wir es geschafft haben. Was für eine Kraft brachte dieses kleine Land ins heutige Europa und setzte den estnischen Staat auf die Weltkarte?

Wir alle bauen unseren Staat, jeden Tag aufs Neue, und bald wird das schon seit hundert Jahren so gehen. Der Unabhängigkeitsgedanke muss nämlich dem estnischen Volk und der estnischen Kultur erhalten bleiben. Wir müssen unsere Geschichte kennen, doch nicht so sehr wegen der Vergangenheit, sondern im Hinblick auf die Zukunft. Für die Entfaltung des Lebens in Estland ist der Beitrag jedes Einzelnen von uns erforderlich, denn jeder Mensch ist wichtig. Aber frei können wir nur sein, indem wir sind, was wir sind – in Estland, in Europa, in der Welt und in uns selbst. Mit dem Willen, frei zu sein.

Archiv, Cristian Kollmann
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