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Andreas-Hofer-Gedenkrede von Cristian Kollmann in Vahrn

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Geschätzte Schützen und Marketenderinnen! Werte Freunde der Schützen und Freunde Tirols!

Über Andreas Hofer, den „Andre“, wie er auf Pseirerisch heißt, ist schon viel geschrieben und geredet worden – und immer wieder kommt etwas Neues hinzu. Andreas Hofer war und ist immer noch eine Persönlichkeit, die die Meinungen, vor allem innerhalb der politischen Gruppierungen, spaltet. Für die einen ist der „Andre“ der Tiroler Nationalheld, für die anderen ein Erzkonservativer, ein Draufgänger, und von den Innsbrucker Grünen wurde er unlängst gar mit den Taliban verglichen.

Wie wird sich Andreas Hofer wohl selbst gesehen haben? In erster Linie wohl als Traditionalisten, durchaus auch als Konservativen (und ich meine das jetzt wertfrei), als tiefgläubigen Christen, als einen, der sein Land Tirol liebte.

Was war das Besondere an diesem Land Tirol? Tirol hatte in der Geschichte einige Privilegien. Man denke nur an das seit der Schöpfung des Landes Tirol bestehende Mitspracherecht der Bauern in der Politik oder an das Tiroler Landlibell von 1511, das die Tiroler nur dann zu Kriegsdiensten verpflichten sollte, wenn es galt, das eigene Land zu verteidigen. Tiroler zu sein, war oft auch ein weniger glückliches Los in der Geschichte des Landes. Gerade zu Hofers Zeiten war es wieder soweit: Es galt, sich einmal mehr einer Gefahr von außen zur Wehr zu setzen. Die Gefahr hieß Napoleon, und seine Truppen wollten eine neue Botschaft ins Land bringen: Illumination! Aufklärung! Weg mit allem Althergebrachten! Weg mit der Religion! Weg mit provinziellen Privilegien!

Andreas Hofer war ein „gestandener“ Tiroler, einer, der von der Tradition seines Heimatlandes überzeugt war und ein tiefgläubiger Christ. Was sollte er tun? In den Krieg ziehen? Trotz seiner religiösen Überzeugung? Er und viele andere, egal, ob Deutschtiroler oder Welschtiroler, deren Anführer er wurde, konnten, nein durften es sich nicht nehmen lassen. Manchmal gab es Erfolge, manchmal gab es Niederlagen. Zwischenzeitlich wurde Hofer gar zum „Ober-Comandant in Tyrol“, aber schließlich, als der Sieg wieder zugunsten Napoleons stand, bezahlte „Andre“ mit dem Leben – auf Befehl Napoleons.

Ebenfalls auf Befehl Napoleons wurde nach Hofers Tod Tirol im Jahr 1810 zwischen dem Königreich Bayern und dem Königreich Italien aufgeteilt. Die Grenze verlief auf der Höhe von Gargazon – Kollmann. Der italienische Teil wurde von Napoleon „Alto Adige“, zu deutsch „Oberetsch“ genannt, der nördliche „Südbayern“. Tirol existierte also nicht mehr. Das ganze Gebiet sollte ein anderes, ein „modernes“, ein weltlichtes Gesicht bekommen. Was hat dem „Andre“ sein Kampf also gebracht? Es gab nichts außer Tausende von Toten auf beiden Seiten, Armut und Verderben. Für all diese, und auch für Andreas Hofer war es ein Unglücksfall, dass die Geschichte so verlief. Aber die Geschichte musste weitergehen. Tirol musste wiederkehren.

Schon im Jahr 1814 war es soweit: Das Blatt wendete sich, und Tirol wurde wiederhergestellt, wurde wiedervereinigt und kam zurück zum Vaterland Österreich. „Alto Adige“ und „Südbayern“ waren von der Landkarte nach nur vier Jahren verschwunden. Andreas Hofer und seinen Mitkämpfern war es aber nicht mehr vergönnt, dieses freudige Ereignis zu erleben. Und trotzdem: Ohne den nachhaltigen Widerstand des Tiroler Volkes – Deutschtiroler wie Welschtiroler – und aller übrigen Völker, die sich gegen die Schreckensherrschaft Napoleons auflehnten, wäre die Wiederherstellung Tirols wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Ein Kampf gegen Fremdherrschaft und Diktatur, der sich letztlich doch gelohnt hat: Tirol durfte wieder Tirol sein und auch Tirol heißen.

Und all jener Menschen, die dafür und aber auch im Kampf gegen Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen anderer Art den höchsten Preis zahlen mussten, gedenken wir heute. Sie alle waren überzeugte Menschen und kämpften für die Sache und nicht für das Heldentum. Und genau das ist es, was Helden ausmacht.

Und heute können wir uns fragen: Was ist aus dem wiedervereinten Tirol von damals heute geworden? Tirol ist heute fünfgeteilt: Nordtirol, Südtirol, Osttirol, Welschtirol oder Trentino und Ampezzo, das alte Hayden. Über alle Landesteile gäbe es einiges zu berichten, doch konzentrieren wir uns nun auf jenen Landesteil, in dem wir uns gerade befinden.

Wenn man über den Brenner oder anderen Grenzübergängen in das Gebiet des heutigen Südtirols einreist, wird man überall mit einer überdimensional großen Tafel „Südtirol – Willkommen“ / „Alto Adige – Benvenuti“ begrüßt. Eine freundliche Begrüßung, genaugenommen auch eine faschistenfreundliche. „Alto Adige“, das meint doch eigentlich „Oberetsch“ oder „Hochetsch“ und hat mit „Tirol“ oder „Südtirol“ gar nichts zu tun; stammt es doch unmittelbar aus der unseligen Zeit des Faschismus. Mit „Alto Adige“ reicht das wohl dunkelste Kapitel der Geschichte, das eigentlich Vergangenheit sein sollte, in die Gegenwart herein. Aber nicht nur mit „Alto Adige“ – auch mit den übrigen faschistisch belasteten Orts- und Flurnamen und faschistischen Denkmälern. Andreas Hofer würde sich vielleicht fragen: Wie kann das sein, dass sich die Südtiroler das gefallen lassen? Gibt es keine gestandenen Tiroler, keine modernen „Helden“, die sich gegen diese kulturelle und ideologische Nötigung zur Wehr setzen? Gewiss, diese gibt es. Doch gleich vorweg: Für mich heißen diese Helden nicht Silvius Magnago. Und sie heißen erst recht nicht Luis Durnwalder. Wahre Helden sind nämlich jene Menschen, die nicht tagtäglich in den Medien präsent sind, ständig das Zauberwort „Autonomie“ gebrauchen, und denen die Frage des Faschismus in Südtirol oder gar das Thema Selbstbestimmung regelrecht peinlich ist, weil sie sich mit der faschistenfreundlichen Politik und Gesinnung des Staates Italiens schon längst arrangiert haben. Die Südtiroler Volkspartei hat im Jahr 1957 die Selbstbestimmung offiziell zum Tabuthema erklärt, nur hat man diesen Kurswechsel damals nicht auf diese wörtliche Weise den Südtirolern verkauft. Und selbst heute, nach über 50 Jahren nach der Kundgebung auf Schloss Sigmundskron relativiert die Südtiroler Landesregierung und damit in erster Linie die Südtiroler Volkspartei die Geschichte, indem sie anlässlich des Jubiläums über die Medien verlautbaren ließ, dass damals alle 35.000 Demonstranten das „Los von Trient“ und eine Autonomie für Südtirol alleine gefordert hätten. Werte Schützen! Viele von euch werden sich sicher die Frage gestellt haben: Waren es wirklich alle 35.000 Demonstranten? Gab es nicht auch solche, die die Selbstbestimmung für Südtirol und das Los von Rom gefordert hatten? Ihr kennt die Antwort. Die tendenziöse Berichterstattung will sie aber nicht kennen.

Die wahren Helden von damals, die für die Selbstbestimmung kämpften und von denen viele noch Gott sei Dank unter uns weilen, wissen, wie es wirklich war. Nur waren diese Helden damals schon unbequem und unbeliebt – damals wie heute. Es gibt sie also noch, diese modernen Helden. Um sie wahrzunehmen und ihre Anliegen zu erkennen, muss man allerdings über den Zeitungsrand der Tagespresse hinausblicken oder zumindest zwischen den Zeilen lesen können.

Im Gebiet des heutigen Südtirols wird nämlich eine Assimilierungspolitik betrieben, die ich seit geraumer Zeit als „Altoatesinisierung“ bezeichne. Der Begriff „Altoatesinisierung“ bedeutet die politisch gewollte Identifizierung der Südtiroler Bevölkerung mit dem Staat Italien; die Gewöhnung an die faschistisch belasteten Orts- und Flurnamen, angefangen bei „Alto Adige“ bis hin zu „Varna“, „Scaleres“, „Spelonca“; der Glaube, dass der Begriff „Autonomie“ das Zauberwort und das Allheilmittel für die Südtiroler schlechthin sei.

Im Jahr 1957 titelte die Südtiroler Tageszeitung anlässlich der Großkundgebung auf Schloss Sigmundskron: „Südtirol, wir waren nie so stolz auf dich!“. Das mag für die damalige Zeit durchaus treffend formuliert gewesen sein. Doch was aus diesem Stolz geworden ist, ist eine andere Frage. Wisst ihr, werte Schützen, was mir persönlich heute einfallen würde: „Alto Adige – ich habe mich nie so geschämt für dich!“ Dieses „Alto Adige“ ist nämlich für mich die faschistenfreundlichste Provinz Italiens, und gerade, wenn es um die faschistischen Orts- und Flurnamen und die sonstigen faschistischen Denkmäler geht, wird von offizieller Seite immer wieder ein falsches Toleranzverständnis gepredigt, und es verkommen immer mehr Südtiroler zu „Altoatesinen“, angefangen bei der politischen Führung. Und genau dies geschieht im Sinne der Ideologie des Faschismus.

Werte Schützen. Ich bin aber sehr froh, dass es auch andere Menschen gibt, die diese staatlich gewollte Assimilierungspolitik durchschaut haben und sich dagegen wehren. In diesem Sinne lasst uns bei Tirol bleiben! Nicht nur, dass wir auf Andreas Hofer stolz sind. Auch der „Andre“ wäre sicher stolz auf uns! Werte Schützen und Freunde! Wir sind nicht „Alto Adige“ – wir sind Tirol! Tirol, wir sind stolz auf dich!

Archiv, Cristian Kollmann
Durnwalder spricht sich gegen Unabhängigkeit Süd-Tirols aus
20. Februar 2008: Todestag von Andreas Hofer

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